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Diskriminierungsschutz auch für Transsexuelle

12.03.2020

Ende 2015 hatte unsere transsexuelle Kollegin C. M. aus Rheinland-Pfalz, die vom DGB Rechtsschutz vertreten wurde, ein wichtiges Urteil des BAG erstritten, welches erstmals die Benachteiligung wegen Transsexualität als Diskriminierung auf Grund des Geschlechts bezeichnete als auch zur Frage Indizien, die auf Diskriminierung hindeuten Stellung bezogen hat.

Bewerberin wurde beim Vorstellungsgespräch ignoriert

Unsere transsexuelle Kollegin C. hatte sich bei einer Zeitarbeitsfirma auf eine Stelle als Kommissioniererin bei einem Schmuckvertrieb beworben. Nachdem die Klägerin zum vereinbarten Vorstellungstermin erschienen war, wurde sie von dem Logistikleiter der Firma zunächst nicht begrüßt, weil er sie nicht als Frau wahrnahm. Als die Klägerin ihn ansprach und sich vorstellte, erwiderte er ihr gegenüber, er habe mit einer richtigen Frau M. gerechnet.

Die Klägerin wies darauf hin, dass sie Frau M. sei und wurde daraufhin von dem Logistikleiter nach einigem Zögern durch den Betrieb geführt. Die anfallenden Arbeiten als Kommissioniererin wurden ihr aber nicht erläutert.

Kurze Zeit später erhielt sie die Mitteilung, dass man sich für eine andere Bewerberin entschieden habe.

Diskriminierungsschutz auch für Transsexuelle

Die Klägerin als Transsexuelle hat sich daraufhin auf den Diskriminierungsschutz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) berufen und Schadensersatz eingeklagt.

Nachdem die Klage in zwei Instanzen abgewiesen worden war, hat die Klägerin, vertreten durch den DGB Rechtsschutz, Revision beim Bundesarbeitsgericht eingelegt. Dort wurde das Urteil des Landesarbeitsgerichtes aufgehoben und das Verfahren zurück verwiesen.

Zunächst wird in dem Urteil klargestellt, dass selbstverständlich auch die Transsexualität durch das AGG vor Diskriminierung geschützt wird. Dabei kann es sich sowohl um eine Benachteiligung wegen des Geschlechts als auch wegen der sexuellen Identität handeln.

Bundesarbeitsgericht nimmt das AGG ernst

In der Entscheidung haben die Richter*innen insbesondere zur Darlegungslast bei Diskriminierungsklagen grundlegende Feststellungen getroffen. Danach muss zwar zwischen dem im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz genannten Grund und der benachteiligenden Behandlung ein Zusammenhang bestehen.

Indizien für Ablehnungsgrund reichen aus

Das BAG stellte klar, dass die abgelehnte Bewerberin den Grund für ihre Ablehnung – hier die Transsexualität – nicht beweisen muss. Sie müsse lediglich Indizien vortragen, »die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist.« Das gelte auch bezogen auf die Frage, ob der Benachteiligende das Vorliegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bei der Benachteiligung nur angenommen hat. Bei dieser Vermutung trägt die andere Partei, also hier der Arbeitgeber, die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist.

Aufgrund dieser Vorgaben hat das BAG entschieden, dass – entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts – die Bewerberin nicht behaupten musste, ihre Transsexualität sei für den Logistikleiter offensichtlich gewesen. Sie musste nach § 22 AGG , § 7 Abs. 1 Halbs. 2 AGG nur Indizien vortragen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass sie als transsexueller Mensch wahrgenommen und deshalb benachteiligt worden ist.

Wie ist Transsexualität im AGG verortet?

Wichtig: Im Verfahren kam die Frage auf, ob Transsexualität im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) dem Merkmal »Geschlecht« oder dem Merkmal »sexuelle Identität« zugeordnet werden muss. Das BAG führt dazu aus, dass laut Gesetzesbegründung unter die »sexuellen Identität« homosexuelle Männer und Frauen ebenso wie bisexuelle, transsexuelle oder zwischengeschlechtliche Menschen fallen (BT-Drs. 16/1780 S. 31). Nach der Richtlinie 2000/78/EG fällt Transsexualität unter den Begriff »Geschlecht« (vgl. EuGH, 30.4.1996, C-13/94). In unionsrechtskonformer Auslegung des § 1 AGG wird die Transsexualität demnach sowohl vom Grund »Geschlecht« als auch vom Grund »sexuelle Identität« umfasst, stellte das BAG klar.

Das BAG rügt ausdrücklich die rechtliche Würdigung des Falles seitens des Landesarbeitsgerichts. Dieses habe es versäumt, den Vortrag der Klägerin entsprechend zu werten. Sie habe geschildert, dass der Logistikleiter sie nicht als Frau wahrgenommen und mehrmals gesagt habe, dass er doch eine Bewerberin erwarte. Auch habe er ihr weder die Arbeit erläutert noch den Arbeitsbeginn genannt. Dieses Verhalten lasse entgegen der Entscheidung des LAG auf die gerügte Diskriminierung schließen.
Der betreffende Grund muss aber keineswegs das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln sein. Es reicht aus, wenn der Grund lediglich mitursächlich für die Benachteiligung ist.

Daraus folgt, dass es für eine betroffene Person zunächst einmal ausreicht, dass sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung (unter anderem) wegen eines im Gesetz genannten Grundes erfolgt ist.

Benachteiligung wird vermutet

Besteht demnach eine entsprechende Vermutung einer Benachteiligung, kommt es zu einer Beweislastumkehr: Es trägt dann die andere Seite die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt wurde. Der Arbeitgeber muss hierzu ausreichende Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, dass ausschließlich andere als die im Gesetz genannten Gründe zu der Benachteiligung geführt haben.

Auf dieser Grundlage hat das Bundesarbeitsgericht das Verfahren wieder an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Denn die Klägerin musste entgegen der Ansicht der Landesarbeitsrichter*innen lediglich Indizien vorbringen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, sie sei von dem Mitarbeiter der beklagten Firma als transsexueller Mensch wahrgenommen und deshalb benachteiligt worden.

LAG muss angemessene Entschädigung ermitteln

Sofern das LAG, das erneut über den Fall entscheiden muss, zu dem Schluss komme, das Benachteiligungsverbot des AGG sei verletzt und der Klägerin stehe nach § 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung zu, müsse es beachten, dass auch bei der Beurteilung der angemessenen Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG alle Umstände des Einzelfalls wie Art und Schwere der Benachteiligung, Dauer und Folgen, Anlass, Beweggrund und Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen sind, heißt es im Urteil.
Diese Indizien lagen durch das - weitgehend unstreitige - Verhalten des Arbeitgebers vor. Nach der dargestellten Beweislastverteilung wäre es jetzt Sache des Arbeitgebers gewesen vorzutragen und nachzuweisen, dass ausschließlich andere Gründe für die Ablehnung der Klägerin ausschlaggebend waren.

Was ist beim Anspruch auf Schadensersatz nach dem AGG zu beachten?

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz soll Benachteiligungen im Arbeitsleben wegen bestimmter Eigenschaften oder Zugehörigkeiten verhindern und beseitigen.

Dabei geht es um Benachteiligungen wegen:

  • der Rasse
  • der ethnischen Herkunft
  • des Geschlechts
  • der Religion
  • der Weltanschauung
  • des Alters oder
  • der sexuellen Identität.

Das Gesetz verbietet jede unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen eines dieser Kriterien, sowohl in einem bestehenden Arbeitsverhältnis als auch bei der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses.

Die wichtigste Sanktion bei einem entsprechenden Verstoß ist ein spezieller gesetzlicher Schadensersatzanspruch, dessen Höhe jedoch im Gesetz nicht festgelegt ist.

Bei einer Benachteiligung im Bewerbungsverfahren kann ein solcher Schadensersatz auch dann geltend gemacht werden, wenn der oder die Beschäftigte auch ohne die Benachteiligung aus anderen Gründen nicht eingestellt worden wäre.

Achtung: Fristen !

Wer einen Anspruch auf Entschädigung wegen einer Diskriminierung geltend machen will, muss zwingend die gesetzlichen Fristen einhalten.

Der Schadensersatz muss innerhalb von zwei Monaten nach Kenntnis von der Benachteiligung bzw. nach der Ablehnung einer Bewerbung schriftlich geltend gemacht werden.

Bleibt die Geltendmachung erfolglos, muss der Anspruch spätestens innerhalb von drei Monaten nach der Geltendmachung beim Arbeitsgericht eingeklagt werden. Wer die Frist versäumt, verliert den Anspruch!