(colin) In Zusammenarbeit mit der International Lesbian and Gay Association Europe lud der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB - European Trade Union Confederation = ETUC) und mit Unterstützung der EU, Ende Januar 2008 zu einer zweitägigen
Konferenz für die Vertreter lokaler LGBT-Gruppen und verschiedener europäischer Gewerkschaftsverbände ein. Ziel der Tagung war es, die gleiche Behandlung von LGBT-Menschen am Arbeitsplatz sowie die Wahrung ihrer Menschenrechte in ganz Europa sowohl einzufordern als auch zu unterstützen und gleichzeitig zu sehen, ob, was und wie man von einander lernen könnte.
Nach den Eröffnungsreden der Generalsekretäre der ETUC, John Monks und Michael Cashman, Leiter der Gruppe von Mitgliedern des Europäischen Parlaments, die sich für die Rechte von LGBT-Menschen einsetzen, berichteten die Redner von Unison, Ver.di und den Gewerkschaften der einzelnen Länder kurz über ihre eigenen Erfahrungen mit den Problemen von LGBT-Menschen am Arbeitsplatz – beziehungsweise den Mangel an solcher Erfahrung.
Es wurde deutlich, dass in Ländern mit älterer demokratischer und gewerkschaftlicher Tradition eine größere Akzeptanz hinsichtlich der Rechte von LGBT-Menschen herrscht als in manchen der ehemaligen Ostblockländer, in denen die Beendigung der umfassenden staatlichen Kontrolle über Gewerkschaften eine relativ junge Erscheinung ist. Dort ist die Entwicklung des Bewusstseins, dass Menschenrechte für alle gelten und auch im Interesse von allen sind, noch im Anfangsstadium und wird oft von religiösen und traditionellen Bedenken, dem Mangel an Erfahrung in der Arbeit nichtstaatlicher Organisationen und durch die weit verbreitete Armut behindert.
Ein weiteres Problem in vielen dieser Länder ist massenhafter Mitgliederschwund.
Die Gewerkschaften Zentral- und Osteuropas sind dennoch wichtige potentielle Kooperationspartner für hiesige Gruppen, wenn es darum geht, Menschenrechte am Arbeitsplatz für LGBT-Menschen zu erstreiten.
Der Autor war angenehm überrascht von der Arbeit des italienischen Gewerkschaftsbundes - CGiL -, der in einigen italienischen Städten Beratungsstellen für Arbeitnehmer mit spezifischen Problemen eingerichtet hatte, in denen u.a. MigrantInnen, HIV-Infizierte und LGBT-Menschen Unterstützung finden können. Auch in Spanien kommt dem Bericht der Teilnehmer zufolge die Durchsetzung des Gleichheitsprinzips sichtbar voran.
In kleineren Diskussionsrunden erarbeiteten die Konferenzteilnehmer eine Liste von Vorschlägen an die EGB. Diese sind weitest gehend schon berücksichtigt bei der Annahme der EGB-Erklärung (unten) zu diesem Thema im Dezember 2008.
(Eine inoffizielle Übersetzung dieses wichtigen Dokuments ist auf dieser Seite zu finden.)
Zwischen Juli 2008 und Oktober 2008 haben Vertreter von ver.di LGBT A K an zwei Konferenzen in Warschau zusammen mit dem GEW (D), Abvakabo (NL) und Unison (UK) teilgenommen, die die Arbeit von Gewerkschafts-LGBT-Gruppen zum Thema hatten. Im Rahmen dieses ersten (eintägigen) Treffens im Juni hat der Autor einen mit Bodo Busch abgestimmten Vortrag über unsere Erfahrungen gehalten. Dank unserer Kontakte zur KpH hatte diese ausdrücklich darum gebeten, dass wir (ver.di) eingeladen wurden. Trotz einer sehr kurzfristigen Einladung, haben Bodo Busch und der Autor eine Teilnahme ermöglichen können.
Im Oktober fanden Bodo und ich uns wieder einmal unterwegs nach Warschau um innerhalb von zweieinhalb Tagen an einer Reihe von Treffen und Diskussionen in Warschau teilzunehmen, bei denen auch die Abteilung für Anti-Diskriminierung des Ministeriums für Arbeit, der polnische Ombudsmann, die OPZZ, eine Vertreterin der Solidarnosc sowie die KpH und Lambda Warschau anwesend waren. Der Ombudsmann sagte aus, dass ihm keine Fälle von Diskriminierung gegen LGBT-Personen bekannt geworden seien. Lambda hingegen berichtete von Fällen der Diskriminierung am Arbeitsplatz.
Ombudsmann Kochanowski trifft sich halbjährlich mit Mitarbeitern der Kampagne gegen Homophobie. Eigenständig will er keine Aktion zum Thema LGBT organisieren, sagte er, weil es noch andere Themen gibt. Wichtig sei ihm z. B. die soziale Betreuung von polnischen Migranten in Westeuropa, deren Anzahl seit 2004 auf zwei Millionen angewachsen sei. Carola Towle, die in London arbeitende LGBT-Verbindungsfrau der Gewerkschaft UNISON wies darauf hin, dass der LGBT-Anteil unter Migranten höher als in Polen sei, weil viele gerade aus diesem Grund in tolerantere Länder flüchteten.
Für Solidarnosc und OPZZ ist das Thema LGBT überhaupt Neuland. „Wir haben Prioritäten: Arbeitsplätze, Löhne usw. Außerdem ist in der Rechtsabteilung noch kein einziger Fall von sexueller Diskriminierung aufgetaucht“, so ein Jurist der OPZZ.
Am Samstag während des Treffens leitete Bodo meisterhaft eine Diskussionsrunde mit dem Ziel herauszufinden, was auf polnischer Seite getan werden könnte, und wie weit man sich dort überhaupt in der Lage fühlt, sich des LGBT-Themas anzunehmen. Die Gewerkschaften scheuten vor diesem Thema zurück, da man befürchtet, als Konsequenz daraus Mitglieder zu verlieren.
Dabei ist diese Befürchtung durchaus real. Seit Anfang der 90er ist die Mitgliederzahl der Gewerkschaften von 80% der arbeitenden Bevölkerung auf nur 17% gesunken.
Die Vertreter der Lehrer-Gewerkschaft sehen derzeit keine Möglichkeiten, Veranstaltungen zum Thema LGBT für Lehrer zu organisieren. Nach meiner Anregung schätzten sie es jedoch als machbar ein, ein Seminar zum Thema Menschenrechte vorzubereiten, welches die Aspekte Behinderung, LGBT und Alter mit einschließt.
In sehr lang anhaltenden, und oft strittigen Diskussionen und Treffen mit Gewerkschaften und Behörden ist es uns allen klar geworden, dass es nicht leicht wird, auch bei gutem Willen sich des Themas anzunehmen. Aber Vorschläge werden ausgearbeitet und erste Versuche unternommen werden, mit stark kirchlich beeinflussten Arbeiter/innen über Menschenrechte überhaupt zu diskutieren.